11. Februar 2017

Weihnachten für Kummersdorf

Heute ist Heiligabend! Okay, eigentlich nicht, es ist schon zwei Monate danach, aber "who cares"? Also lasst uns die weihnachtliche Stimmung nicht durch den blöden Februar vermiesen, sondern einfach ein bisschen über meine Lieblingsgeschichte von Carl Barks sprechen. Heute geht es um "Weihnachten für Kummersdorf".


"Weihnachten für Kummersdorf" beginnt mit Tick, Trick und Track, welche kurz vor Weihnachten durch Kummersdorf, den ärmsten und heruntergekommensten Stadtteil Entenhausens, gehen und sich auf einmal sehr schlecht vorkommen. Auf der einen Seite sind da die drei Neffen, ihr Onkel ist zwar auch nicht reich, aber irgendwie kommen sie schon immer im Überfluss über die Runden, auf der anderen Seite sind da die Kinder aus Kummersdorf. Sie sind mager, haben nichts zu essen und sind extrem arm. So kurz vor Weihnachten wollen die Kinder natürlich helfen und denken sich einen Plan aus.


Währenddessen im Geldspeicher: Donald braucht unbedingt noch Geld für das bevorstehende Weihnachtsfest und pumpt deshalb Onkel Dagobert an, doch nicht in der Form, wie wir es kennen, nein, er verkleidet sich als Onkel Jakob und versucht, aus Dagoberts (Un-) Barmherzigkeit Gewinn herauszuschlagen. Natürlich funktioniert das nicht, Dagobert serviert ihn sofort ab, da Jakob ihm noch einen Schilling schuldet, den dieser sich vor sechzig Jahren mal ausgeliehen hat. Daraufhin geht Donald mit einer Ratte und einem Stück Käse wieder in den Geldspeicher und bietet Dagobert seine Dienste als Rattenfänger für fünf Taler an. Nachdem er mit den fünf Talern wieder zu Hause ist, bemerkt er aber, dass die Ratte das Geld zernagt hat.

Unterdessen haben die Kinder aus Kummersdorf fröhliche Nachrichten bekommen, ein Spielzeug-Zug soll durch das Elendsviertel gebaut werden, von Daisy Ducks Karitatischem Verein. Alle Leute der Familie Duck sollen Geld dazu beisteuern, auch Dagobert.

Weiter möchte ich jetzt gar nicht gehen, sondern nur das Ende verraten, ja, Kummersdorf bekommt ihr Weihnachten.

Barks war ja bekanntlich kein großer Fan von Weihnachten, was er an Weihnachten so hasste, war dieses *Zack* jetzt ist Weihnachten *Zack* jetzt ist es wieder vorbei und ihr geht alle wieder brav zur Arbeit. Ich mag Weihnachten zwar sehr gerne, dennoch kann ich Barks' Punkt verstehen und seine Kritik ist berechtigt. Kummersdorf zeigt uns ein Problem, welches im echten Leben auch bekannt, wenn auch lange nicht so viel Aufmerksamkeit erregend ist; darf man Feste feiern, obwohl ein paar Kilometer entfernt Leute hungern und kein so unbesorgtes Leben haben?

Barks hat in seinen Comics nie gepredigt, i. e. er hat nie irgendjemandem vorgeschrieben etwas zu tun, was er für richtig hält. Und auch in dieser Story hat Barks uns nur subtil darauf hingewiesen. In Gewisserweise sticht hier sogar Zynismus hervor, denn in diesem Jahr kriegen die Kinder aus Kummersdorf zwar Geschenke und gutes Essen, aber wie ist es mit dem nächsten Jahr? Mit dem übernächsten (wir dürften mittlerweile schon viel weiter sein, die Geschichte wurde 1952 erstveröffentlicht)? Ist diese ganze Aktion nicht einfach nur dazu da, um uns selber besser zu fühlen? Um gewißermassen unser Gewissen zu reinigen? Als mir diese Interpretation der Story zum ersten Mal aufgefallen ist, fühlte ich eine ungewohnte Leere in meinem Kopf. Ich fragte mich, ob Barks diese Ansicht hatte.

Denn Kenner wie Beispielsweise Geoffrey Blum sagen andere Dinge. Ich zitiere mal Ebengenannten:

 [...] This story is unique for having no axe to grind; it is as if Barks for once felt comfortable with the idea of christmas [...]

Doch ich glaube, da hat Mr Blum nur oberflächlich gedacht, denn in den Dialogen gibt es dauernd Anspielungen auf Weihnachten, den Weihnachtsmann und Süßigkeiten und es wirkt eine zwanghaft erschaffene Weihnachtsstimmung. Das ist auch das Geniale an "Weihnachten für Kummersdorf", man kann die Geschichte auf verschiedenen Ebenen lesen, einerseits auf der einfachen, der Art, wie sie auch Bloom gelesen hat, in der man sich auf Weihnachten freuen kann und sich vom Kitsch berieseln lassen kann, andererseits auf der meiner Meinung nach "richtigen" Art, der subtilen, unterschweligen und zynischen Art, in der man mal wieder seinem Pessimismus und Masochismus rauslassen kann (und in jedem von uns schläft solch ein Instinkt).

In "Weihnachten für Kummersdorf" geht es um die kleinen Dinge, die Dinge, die uns glücklich, aber auch traurig machen können. Eine kleine Münze bringt ein ganzes Vermögen zum Einsturz,

ein kleiner Karitatischer Verein kann in einem Jahr ein Weihnachtsfest für ein ganzes Viertel machen und ein kleines Spielzug wie eine Modelleisenbahn kann für jeden den Tag retten.

Wie manch einer vielleicht schon bemerkt hat, ist Dagobert in diesen frühen Barks-Geschichten sehr böse und skrupellos, genauso wie ich es mag. Tatsächlich galt Dagobert bis "Only a poor old man" einzig und allein als der böse Gegenspieler, der keinen Spaß hat und immer nur an das Geld denkt. Später dann steckte Barks Dagobert seine Grenzen ab und Dagobert bekam eine charakterliche Tiefe. Wie Dagobert auch in dem folgendem Panel aus "Noch eine Mutprobe" sagt, war er in "Christmas on Bear Mountain", seiner ersten Story von Barks, noch ein skrupelloser Geschäftsmann.

Ja, "Weihnachten für Kummersdorf" war schon immer eine meiner Lieblingsgeschichten, sowohl zu der Zeit, in der ich darin die oberflächliche Geschichte gesehen habe, als auch jetzt, wo ich endlich den richtigen Sinn dahinter interpretiert habe.

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